Kirche hat Zukunft, aber wie?
Dieser Frage stellten sich die vier Podiumsteilnehmer als Vertreter der christlichen Kirchen beim Neujahrsempfang der ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) in der evangelisch-methodistischen Friedenskirche in Pliezhausen: Bischof Matthias Grauer
von der neuapostolischen, stellv. Dekan Dietmar Hermann von der katholischen, Präses Steffen Kern von der evangelischen und Prof. Christoph Schluep von der ev.-methodistischen Kirche. Pastor Thomas de Jong führte als Vorsitzender der ACK in die Veranstaltung ein und moderierte. Mitglieder der Musikschule umrahmten die Veranstaltung, Johanna Voßler an der Orgel, Shegnan Quan am Klavier und die Violonisten Elmo und Elina Zhon.
Einig waren sich alle Kirchenvertreter: Die Kirchen haben Nachwuchsprobleme, die Austrittszahlen bleiben hoch, immer wieder erschüttern uns neue Missbrauchsfälle, es gibt strukturelle Probleme, die jedoch derzeit in allen Kirchen in verschiedenen Reformbewegungen, „Zukunftswerkstätten“ usw. thematisiert und bearbeitet werden.
Aber – und das ist die Crux – das ist nur die Innenansicht von Kirche. Die Zukunft der Kirche aber liegt „im Außen“, so Pfarrer Hermann. Wenn niemand mehr von sich aus in die Kirche geht und kirchliche Sozialisation in den Familien nicht mehr selbstverständlich ist, muss die Kirche, müssen die Kirchen neue „Sozialräume“ aufsuchen, sei es als „Kirche vor Ort, Kirche an vielen Orten“, sei es im „Quartier“ oder „Kirche am Markt“. Die Bezeichnungen variieren, die christliche Botschaft aber ist nach wie vor dieselbe: Kirche ist für den Menschen da. Sie ist heute so wichtig wie früher und ruht auf zwei Pfeilern: Sie ist eine Glaubensgemeinschaft (das ist die Innensicht) und – um diese Aufgabe geht es heute vor allem – Kirche als Gemeinschaft aller Getauften hat eine Sendung nach außen; sie ist eine dienende, eine karitative Kirche, „eine Kirche ohne Macht, aber mit Wirkung“ und „Weltverantwortung“, so Steffen Kern.
Nicht mehr die Institutionen sind bedeutsam, – wenn sie auch nach wie vor unabdingbar sind, – sondern die einzelnen Menschen. Eine Banalität, sollte man meinen, aber eine mit Auswirkungen. Denn aus dieser Sicht ergeben sich sowohl konkrete strukturelle Veränderungen – zum Beispiel eine zeitgemäße Ehrenamts- und Teamkultur sowie ein neues Rollenverständnis in den kirchlichen Diensten – als auch eine neue Perspektive hinsichtlich der Ökumene. Um mit Letzterem zu beginnen: Abgrenzung der Kirchen ist out, Vernetzung tut not, nicht nur, weil die einzelnen Kirchen angesichts der Vielfalt der karitativen und seelsorgerlichen Aufgaben ihren Dienst am Menschen gar nicht mehr ohne ehrenamtliche Arbeit, egal in welcher Kirche, leisten können, sondern auch, weil die Frage „Wer sind wir und was wollen wir?“ eine neue Ehrlichkeit und Bescheidenheit erfordert, was sich weder mit Privilegien noch mit Selbstherrlichkeit verträgt.
Als Vision wurde in den verschiedenen Statements deutlich: „Kirche hat Zukunft“, aber es wird eine bunte und vielfältige Kirche sein, einerseits nach wie vor eine „Gottesdienstgemeinschaft“, aber auch eine interkonfessionell vernetzte „Dienst- und Hoffnungsgemeinschaft“ (Prof. Schluep), für die die zentrale Frage nicht mehr lautet: „Was glaubst du?“, sondern: „Wie glaubst du, was machst du konkret als Christ?“
Angela Madaus